Energiequelle Dunkle Materie?

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Die Dunkle Energie und Dunkle Materie sind das kosmische Mysterium unserer Tage – nur ca. 5% des Energiegehalts des Universums sind theoretisch verstanden. Ist es da nicht fast schon zwingend wahrscheinlich, dass in den unbekannten 95% noch ungeahnte Energiequellen stecken, die die Energieprobleme unserer Zivilisation auf einen Schlag lösen könnten? In der parawissenschaftlichen Szene gibt es schon lange Generatoren für „Nullpunktsenergie“ und „Freie Energie“ zu kaufen, und viele Verschwörungstheorien ranken sich darum, weshalb diese Möglichkeiten, dem Kosmos direkt ein bisschen Saft abzuzapfen, nicht für jeden zugänglich sind. Das ist natürlich alles wissenschaftlich nicht haltbarer Unsinn (Update: Sogar im Shop des Deutschen Museums hatten sich einschlägige Produkte eingeschlichen, bis wachsame Skeptiker kürzlich darauf aufmerksam machten.)

Dabei wissen wir bei allen offenen Fragen doch schon einiges über die Dunkle Energie und Dunkle Materie – nämlich beispielsweise, wieviel es davon gibt. Also will ich jetzt mal folgender  Frage auf den Grund gehen: Angenommen, wir könnten die Dunkle Materie anzapfen – wieviel Energie würde sie denn eigentlich liefern?

Die plausibelste und einfachste mit allen Beobachtungen vereinbare Dunkle-Materie-Hypothese besagt, dass es sich um ein dünn verteiltes Gas von massebehafteten Teilchen handelt. Sie haben dabei neben der Gravitation nur sehr schwache Wechselwirkungen mit der uns bekannten herkömmlichen Materie. Gerade wurden vom Experiment LUX wieder Daten von der direkten Suche nach solchen Teilchen veröffentlicht, in denen leider noch kein Nachweis erbracht werden konnte.

Einer der verschiedenen Nachweise für die Dunkle Materie kam aus der Beobachtung der Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien – die meisten bewegen sich in den Außenbereichen so schnell, dass sie eigentlich auseinanderfliegen würden, sofern sie nicht von einer zusätzlichen Quelle der Gravitation festgehalten werden. Diese zusätzliche Gravitation kommt vermutlich von einer großen Teilchenwolke, dem sogenannten Halo aus Dunkler Materie, in das Galaxien wie unsere Milchstraße eingebettet sind. Das  sähe, wenn man die Dunkle Materie als blauen Schimmer darstellt, etwa so aus:

ccast1_06_12(Quelle: CERN)

Es ist offenbar sehr schwer, Teilchen der Dunklen Materie einzufangen, um sie nachzuweisen. Für dieses Gedankenexperiment gehen wir jetzt einfach mal davon aus, dass man in Zukunft eine Möglichkeit findet, dies effizient zu tun. Stellen wir uns vor, wir hätten eine Art „Solarzelle“ von einem Quadratmeter, in der alle Dunkle-Materie-Teilchen hängenbleiben und ihre gesamte Energie (insbesondere die nach E=mc^2 in ihrer Masse steckende) in einer für uns nutzbaren Form abgeben. Wieviel Energie können wir dann gewinnen?

Wir kennen zwar die Dichte der Dunklen Materie über kosmische Abstände gemittelt, aber herauszufinden, wieviel davon gerade zu einem gegebenen Zeitpunkt bei uns auf der Erde vorbeigeflogen kommt, ist alles andere als einfach. Die genaue Verteilung des Halos ist nicht bekannt, und innerhalb dieses Halos könnte es noch dichtere und weniger dichte Stellen und Strömungen geben, die dazu führen, dass wir auf der Erde zu einem gegebenen Zeitpunkt mit wesentlich mehr oder weniger Dunkler Materie in Kontakt kommen, als der Mittelwert es suggeriert. Außerdem wird spekuliert, ob sich nicht ein Teil der Dunklen Materie doch zu einer Scheibe, der „Dark Disk“, formiert.

Ich nehme für diese Schätzung den häufig verwendeten Wert von Dichte=0.4 GeV/cm^3 (siehe dieser Artikel von J. Read). In etwas anschaulicheren Einheiten ist das die Energie von 400 Wasserstoffatomen pro Volumen eines Milchkartons. In SI-Milchkarton-Einheiten umgerechnet sind das ca. 64 Milliardstel Joule pro Milchkarton. Das ist so wenig, dass unsere Gedankenexperiment sofort zum Scheitern verurteilt zu sein scheint.

Wir bekommen aber etwas Rückenwind (pun intended) durch die hohe Geschwindigkeit, mit der die Teilchen an uns vorbei ziehen, allein schon deswegen, weil die Erde sich durch die Galaxie bewegt. Die am häufigsten anzutreffende Geschwindigkeit wird zu etwa 500 km/Sekunde geschätzt, aber nicht alle Teilchen im Halo sind relativ zur Erde so schnell. Wir setzen als mittlere Geschwindigkeit mal die Hälfte an, Geschwindigkeit=250 km/Sekunde.

Um die Leistung unserer „Dunkle-Materie-Solarzelle“ zu bekommen, müssen wir diese Zahlen multiplizieren und erhalten

Dichte*Geschwindigkeit*Fläche=16 Watt

Unsere hypothetische Dunkle-Materie-Zelle liefert also pro Quadratmeter ganze 16 Watt, unter der Annahme, dass wirklich die gesamte Energie der Teilchen in Strom umgewandelt werden kann und die obigen Zahlen zur Dichteverteilung und Geschwindigkeit sinnvoll sind.

Fazit: Ich finde es amüsant, dass bei dieser groben Abschätzung überhaupt eine Zahl herauskommt, die in der Größenordnung dessen liegt, was als Energiequelle für Menschen interessant sein könnte. Die Sonne liefert uns allerdings 1300 Watt pro Quadratmeter, und die Technologie zur Umwandlung haben wir schon. Die Dunkle Materie als Energiequelle zu nutzen, ist also vor allem ein reizvolles Science-Fiction-Szenario. Ein vagabundierender Planet, der durch die finstere Unendlichkeit driftet, und dessen Zivilisation von Dunkler Materie angetrieben wird – wer hat Lust, den Roman zu schreiben? Ich würde ihn lesen!

 

 

Ein Gedanke zu “Energiequelle Dunkle Materie?

  1. Harld Peters

    Zu der Science-Fiction-Überlegung vielleicht einmal Wilhelm Reich’s „Kosmische Überlagerung“ lesen, und danach Peters W. Atkins‘ „Schöpfung ohne Schöpfer“ – und nicht die Reihenfolge eigenmächtig verändern.

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