Die Experimente LUX und PandaX-II suchen tief unter der Erde nach Dunkler Materie. Diese Woche haben sie beide neue Ergebnisse veröffentlicht, und keines dieser derzeit empfindlichsten Experimente ihrer Art sieht bisher einen Hinweis auf die gesuchten dunklen Teilchen. Hat die Dunkle-Materie-Hypothese jetzt ein Problem, oder ist sie gar widerlegt?
Die Behausung des LUX-Experiments in der Homestake-Mine in über 1400 Metern Tiefe
(Nein!)
LUX sitzt in der 1500 Meter tiefen Homestake-Mine in South Dakota. Panda – wie der Name schon vermuten lässt – steht unter 2400 Metern Felsen in der Volksrepublik China, im tiefsten unterirdischen Labor der Welt. Diese Isolation durch kilometerdickes Gestein, das nicht nur vor menschengemachten Störungen sondern auch der kosmischen Höhenstrahlung schützt, ist entscheidend für den Erfolg dieser Experimente: Wie auch immer sie genau geartet ist, die Dunkle Materie wechselwirkt jedenfalls nur extrem schwach mit herkömmlicher Materie, und um ihre extrem seltenen Zusammenstöße mit einem (notwendigerweise aus herkömmlicher Materie bestehenden) Detektor überhaupt zu bemerken, muss ansonsten Funkstille herrschen. Die Dunkle Materie lässt sich von den tausenden Kilometern Fels und Eisen der Erde nach allem, was wir wissen, aus dem gleichen Grund kaum stören und durchdringt sie ungehindert, sodass die Detektoren tief unter der Erde dennoch mit der Dunkle-Materie-Wolke in Berührung kommen sollten, in die unsere Galaxie vermutlich eingebettet ist.
Es gibt verschiedene theoretische Vorschläge, aus welcher Art Teilchen die Dunkle Materie bestehen könnte, und Experimente wie LUX und PandaX sind auf eine bestimmte Sorte optimiert: sogenannte WIMPs (weakly interacting massive particles), Teilchen mit einer Masse von einigen Protonmassen bis etwa 1000 Protonmassen, die relativ schwach, aber nicht zu schwach, mit herkömmlicher Materie wechselwirken. Da die beiden Experimente kein Dunkle-Materie-Signal gesehen haben, können sie uns nur sagen, wie stark solche Teilchen, sofern es sie gibt, noch mit herkömmlicher Materie wechselwirken könnten ohne entdeckt worden zu sein – das sind die sogenannten Ausschlussgrenzen. Beide Experimente haben aus ihren Daten sehr ähnliche Ausschlussgrenzen ermittelt:
@DrAndreDavid #DarkMatter #WIMP #LUX #PandaX pic.twitter.com/AQiPb4yfk0
— Tristan du Pree (@Tristan_duPree) 26. Juli 2016
Wir sehen hier auf der horizontalen Achse die Masse des hypothetischen Teilchens aufgetragen, auf der vertikalen Achse die maximale noch mögliche Wechselwirkungsstärke. Alle Werte unterhalb der beiden Kurven sind von dem jeweiligen Experiment noch erlaubt, alle darüber sind ausgeschlossen, weil Teilchen mit so starken Wechselwirkungen ein Signal in den beiden Experimenten hinterlassen hätten.
Was bedeutet das für die Dunkle-Materie-Hypothese und ihre Erforschung allgemein? Zunächst darf man nicht vergessen, dass WIMPs nur eine von verschiedenen bereits bekannten theoretischen Möglichkeiten sind, wie die Dunkle Materie geartet sein könnte – für andere wie beispielsweise Axionen sind diese Experimente nicht empfindlich. Ob die WIMP-Hypothese im speziellen ein Problem hat, ist nicht eindeutig zu beantworten, denn auch hier gibt es verschiedene Varianten. Um einen Eindruck darüber zu bekommen, kann man sich das typische Beispiel für eine spekulative Theorie ansehen, in dem solche WIMPs vorkommen, die Supersymmetrie.
In einem Paper von 2013 (arXiv:1311.7641 von Arbey, Battaglia und Mahmoudi) finden wir folgende Plots:
Die Autoren haben eine große Anzahl an Supersymmetrie-Dunkle-Materie-Szenarien durchgetestet und sich angesehen, wieviele davon schon anderweitig (durch den Large Hadron Collider) ausgeschlossen sind. Als schwarze Linie eingezeichnet ist die damalige Ausschlussgrenze des LUX-Experiments. Wo schwarze Punkte eingezeichnet sind, fanden die Autoren keine Supersymmetrie-Modelle mehr, die noch erlaubt waren. Man sieht aber, dass auch unterhalb der schwarzen LUX-Linie von damals noch viele Modelle erlaubt waren. Die LUX- und PandaX-Daten von dieser Woche liegen etwas tiefer, der tiefste Punkt ist in den Einheiten dieser Grafik gemessen bei etwa -10 statt -9. Inzwischen wurden auch die Large-Hadron-Collider-Suchen etwas strenger, aber die Schlussfolgerung bleibt in etwa: Es gibt prinzipiell noch Möglichkeiten, WIMP-Modelle zu basteln, die alle bisherigen Suchen umgehen. Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Die noch möglichen Modelle werden tendenziell konstruierter und fein eingestellter, je strenger die zu umgehenden experimentellen Grenzen sind, aber daraus lässt sich kaum eine feste Regel ableiten, ab wann WIMPs nun kein guter, oder attraktiver, Theoriekandidat für die Dunkle Materie mehr sind.
Der den XENON1T-Detektor umgebende Wassertank wird befüllt (Quelle: http://www.xenon1t.org/)
Es bleibt nichts anderes übrig, als in möglichst viele Richtungen weiterzusuchen und zu hoffen, dass irgendwann ein Experiment den Jackpot knackt und uns den direkten Nachweis von Dunkle-Materie-Teilchen liefert. Eines der Experimente, das die hier gezeigten Ergebnisse im nächsten Jahr übertreffen kann, ist XENON1T, das mit über 1 Tonne Xenon als Detektormaterial arbeitet (LUX: 370 kg, PandaX II: 500 kg) und in einem Tunnel unter dem Gran-Sasso-Massiv in Italien aufgebaut ist.